Wie schlimm
wird der Klimawandel wirklich? Kommen Sintflut und Dauerdürren auf
uns zu? Diese Fragen hat sich der große amerikanische Dramatiker
schon vor sechzig Jahren in seinem Stück »Wir sind noch einmal
davongekommen « gestellt. Am Beispiel der Familie Antrobus will er
vor allem zeigen, welchen Schicksalsschlägen der Mensch in der Vergangenheit
ausgesetzt war und wie er darauf reagiert hat.
Der erste Akt spielt vor einer Eiszeit, der zweite vor einer Sintflut, der dritte nach einem Weltkrieg. Zur Familie Mensch gehören: Mr. Antrobus, der ewige Adam, der Erfinder des Rades, des Alphabetes, des Dezimalsystems – eine Mischung aus mythischem Urvater, parodiertem Daddy, erfinderischem Techniker und philosophischem Kopf. Seine Frau Mrs. Antrobus ist die ewige Eva, Hüterin des Feuers und der Familie – eine Mischung von mythischer Urmutter und mütterlicher Mammy. Zur Familie gehört weiter der Sohn Henry, der seinen Bruder mit einem Stein erschlagen hat, eigentlich Kain heißt und sein Haar über das Kainsmal auf der Stirn kämmt, außerdem Tochter Gladys, die nicht recht weiß, ob sie dem Vorbild ihrer Mutter folgen soll oder dem der Sabina, die zugleich Dienstmädchen und Schönheitskönigin ist und auch zur Familie gehört: in ihr steckt die mythische Lilith, die Verführerin, Adams Geliebte. Das Stück endet mit seinem Anfang: Familie Mensch lebt neuen Katastrophen und neuen Rettungen entgegen. Thornton Wilder drückt in diesem Stück die Überzeugung aus, dass sich der Mensch von der Eiszeit bis zur Gegenwart im Grunde immer gleich geblieben ist und sich aus wechselnden Katastrophen immer wieder auf die gleiche Weise gerettet hat. Zwischen Schöpfung und gerade noch einmal verschobenem Weltuntergang wurschtelt Familie Mensch immer weiter. Im ganzen Stück herrscht ein tröstlicher Unterton: Wilder akzeptiert die Welt, so wie sie ist. Diese Menschheitsrevue wird von der Neuen Studiobühne und ihrem Ensemble aufgegriffen und der aktuellen Situation unserer Gesellschaft angepasst, die z.B. durch den Klimawandel einer neuen Bedrohung ausgesetzt ist. Mit modernen Medien werden die uralten Elemente neu gemischt: aus dem Barock kommt der Gedanke, dass der Mensch eine ihm zugeteilte Rolle spielen muss, ob sie ihm nun passt oder nicht; aus dem chinesischen Theater kommt die epische Form und die Reden ans Publikum; aus der deutschen Romantik stammt die Ironie, die Aufhebung der Bühnenillusion durch die private Existenz des Schauspielers. Die Aufführung der Neuen Studiobühne unter der Regie von Joachim Wolf zeigt, wie Familie Antrobus den Existenzkampf durchlebt und übersteht. Wie immer sind dabei Musik, Gesang und Tanz theatralische Begleiter der turbulenten und grotesk-bizarren Szenerien. |